Katar – Menschenrechte?
Nach ‘Katar Menschenrechte’ wird zur aktuellen Fußballweltmeisterschaft 2022 viel recherchiert. Die FIFA (Internationaler Verband des Weltfußballs) ist ein privater gemeinnütziger Verband, der alle Fußballmeisterschaften in der Welt organisiert. Die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 22 fand schon lange im Voraus statt. Das Land Katar wurde dafür ausgewählt, 2022 Gastgeber der Weltmeisterschaft zu sein.
Ausgehend von den aktuellen Vorwürfen an Katar, gehen wir in unserem Beitrag genauer auf die Themen Menschenrechte und die Staatsform Katar ein.

Entdecke die erste Demokratie Europas in unserer Playbook-Episode 1 ‚Antike‘
Die Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft 2022
Um die Fußball-Weltmeisterschaft 22 ausrichten zu können, musste das Land Katar enorme bauliche Anstrengungen unternehmen. Katar ist ein Staat in der Wüste, wo am Tag Spitzentemperaturen von über 40 Grad Celsius gemessen werden können. Die meisten Fußballspieler wären mit solchen Temperaturen überfordert. Zwei Jahre hatte das Land Zeit, große Stadien zu bauen, die klimatisiert sind und einen perfekten Rasen vorweisen. Das hat Katar auch zweifelsohne geschafft.

Der Vorwurf an Katar
Diese Fußballstadien wurden natürlich durch Arbeiter gebaut, so wie bei uns auch bspw. Hochhäuser gebaut werden. Allerdings kennen wir in Deutschland Arbeitsschutzgesetze, die Arbeiter vor Ausbeutung, Missbrauch und Gefahren schützen sollen. Beispielsweise gibt es Vorschriften, welche Schutzkleidung zu tragen ist, es gibt eine ausreichende Bezahlung, es gibt Urlaubstage und eine Krankenversicherung.
Das alles gibt es in Katar nicht. Die Arbeiter arbeiteten und wohnten auf der Baustelle, die Unterkünfte waren sehr einfach eingerichtet (Matratze auf dem Boden) und schmutzig (keine vernünftigen Toiletten oder Duschen). Über Arbeitssicherheit und gute Bezahlung wurde hinweggesehen. Unter diesen Bedingungen sollen Menschen beim Bau der Stadien umgekommen sein. Die Arbeitsmigranten, Frauen wie Männer, sind absolut abhängig von ihrem Auftraggeber. Nicht selten werden Hausangestellte missbraucht und ausgebeutet. Sie haben keine Rechte, und damit auch keine Behörde, wo sie beispielsweise Anzeige erstatten könnten.

Der Staat Katar – einige Fakten
Die Staatsform Katars ist seit 2005 eine absolutistische Erbmonarchie. Sie ist keine konstitutionellen Erbmonarchie.
Was bedeuten diese Begriffe?
Absolutismus bedeutet, dass der Herrscher losgelöst von Gesetzen regieren kann. Es gibt keine Kontrollinstanzen, die sein Handeln kontrollieren oder ihm auch widersprechen können.
Konstitutionelle Monarchie bedeutet, dass der Herrscher ein Amt als König bekleidet. Es gibt eine Regierung, ein Parlament und einen Obersten Gerichtshof und der König hat eher eine repräsentative Aufgabe im Staat, aber keine wirkliche politische Macht.
Also, es liegt eine Gewaltenteilung vor, die besagt, dass die Gesetzgebung (Bundestag/rat), die Gesetzüberwachung (Gerichte) und die Gesetzdurchsetzung (Polizei) in drei unterschiedlichen und unabhängigen Staatsorganen liegen.
Katar Herrscherfamilie
Die Familie Al Thani.
Katars Staatsform
Der Herrscher (Emir) wird zum Herrscher, wenn der Vater stirbt. Das nennt man Erbmonarchie. Der Emir regiert allein, auch wenn er ein beratendes Parlament an seiner Seite hat. Dieses Parlament hat keine politische Macht. Also, er ist ein absoluter Herrscher.
Katars politische Struktur:
- Der Emir ist ein Alleinherrscher, dem ein beratendes Parlament zur Seite steht.
- Das Parlament besteht aus 45 Personen (männlich und weiblich), davon werden seit 2021 30 Personen vom Volk gewählt. 15 Personen ernennt der Emir.
- Das Parlament berät den Emir, wenn es darum geht, neue Gesetze zu erlassen oder ob Steuern erhoben werden müssen oder nicht usw. D.h., das Parlament hilft dem Emir bei seinen Regierungsaufgaben. Aber die letzte Entscheidung, was gemacht wird, die liegt beim Emir.
- Der Emir ernennt aus dem Parlament einen Premierminister (Chef der Minister) und andere Minister für Innenpolitik, Außenpolitik, Bildung etc.
- Auf lokaler Ebene gibt es den Municipal Council, der aus 29 Personen besteht, die ebenfalls gewählt werden können.
- Der Emir ist Oberbefehlshaber seiner Armee (Militär).
- Wahlen: Seit 2021, in Vorbereitung auf die Fußball-Weltmeisterschaft, wurden zum ersten Mal Wahlen zugelassen, die das beratende Parlament wählten. Auch Frauen durften wählen und standen auch selbst zur Wahl.
Katars Gesellschaft
- ca. 3 Mio Menschen – Staatsbürger und ausländische Arbeitskräfte
- ca. 300.000 Staatsbürger.
- 577.000 sind Frauen.
- 1,9 Mio. sind Männer.
- Religionsfreiheit – Ja, der Emir lässt fremde Religionen (Religionstoleranz) bis zu einem gewissen Grad zu. Sie dürfen ihren Glauben praktizieren, aber sie dürfen nicht missionieren (also, sie dürfen nicht versuchen, die muslimische Bevölkerung zu einem anderen Glauben zu bekehren).
- Gleichheit zwischen Mann und Frau: Nein, nicht wirklich. Die Frauen haben Zugang zur Bildung, zu politischen Ämtern, dürfen studieren. Trotzdem herrscht noch eine Art Vormundschaft-System, das heißt, die Frauen sind abhängig von ihren Vätern, Ehemännern, Brüdern. Sie dürfen nicht alleine entscheiden, ob sie bspw. in den Urlaub fahren dürfen oder wen sie heiraten wollen. Mehr Informationen.
- Religiöse Tradition und Moderne: In Katar sind die Gesetze des Korans tief in der Gesellschaft verwurzelt. Das heißt, dadurch wird bspw. Homosexualität abgelehnt. Sicherlich werden auch abgesprochene Ehen zwischen Familien an der Tagesordnung sein.
- Meinungsfreiheit existiert nicht, höchstens bei der Wahl der Lieblingsfarbe oder des Lieblingstiers. Also, das heißt, die Presse darf berichten, aber sie darf nie die Herrscherfamilie kritisieren. Auch eine Versammlungsfreiheit (Demos) existiert nicht.
Was sind die Menschenrechte?
Die Menschenrechte sind unveräußerliche Rechte, die einem Menschen zukommen, weil er oder sie ein Mensch ist. Das ist das Ergebnis einer langen philosophischen Auseinandersetzung, die sich in der Aufklärung durch die Menschenrechte erstmals in Europa und Amerika zeigte. Zuvor waren die Rechte eines Menschen davon abhängig, in welcher sozialen Klasse er oder sie hineingeboren worden war.
Die Bürgerrechte sind die praktische Umsetzung der Menschenrechte:
- das Recht auf Freiheit,
- das Recht auf körperliche Unversehrtheit (keine Folter),
- das Recht auf eine eigene Meinung (Pressefreiheit, Meinungsfreiheit),
- das Recht auf Eigentum und
- das Recht auf Selbstbestimmung.

Das Interessante und Traurige ist, dass nur durch diese Brutalität die Menschenrechte schließlich in der ersten französischen Verfassung aufgenommen wurden. Die Herrschaft eines Alleinherrschers konnte man leider nicht mit einem vernünftigen Gespräch am Verhandlungstisch lösen. Aber der Weg, bis zu unserem heutigen Verständnis, über die Umsetzung dieser Menschenrechte war sehr lang und nahm eigentlich erst nach 1948 (Gründung der Bundesrepublik Deutschland) Einzug in Europa.
Eine vollständige und einfache Zusammenfassung der Französischen Revolution bieten wir in unserem Arbeitsheft an.

Was ist Gewaltenteilung?
Die Gewaltenteilung ist die, in einer demokratischen Verfassung festgesetzte, Einteilung in drei Gewalten. Die Legislative ist die gesetzgebende Gewalt, die in Deutschland der Bundesrat darstellt. Die Judikative ist die gesetzüberwachende Gewalt, damit ist die Funktion eines Gerichts gemeint. Und die Exekutive ist die ausführende Gewalt, also die Polizei. Nur ein Staatsbürger oder Bürgerin kann politisch an einer Gewaltenteilung durch sein oder ihr Wahlrecht teilhaben.
Was ist Säkularisierung?
Die Säkularisierung bedeutet die Trennung von Staat und Kirche. Es gelten die Gesetze des Staates und nicht religiöse Regeln. Diese Trennung ist in der Verfassung gesetzlich festgeschrieben. Das bedeutet, dass der Staat seinen Bürgern und Bürgerinnen keinen Glauben vorschreiben darf. Umgekehrt dürfen religiöse Regeln keinen Einfluss auf den Staat nehmen.
Was ist Glaubensfreiheit?
Die Glaubensfreiheit ist ein Menschenrecht, das in einer demokratischen Verfassung zugesichert wird. Das heißt, der Staat sichert seinen Bürgern und Bürgerinnen zu, dass sie glauben dürfen, was sie wollen. Sie können ihre Religion frei ausüben oder auch nicht gläubig sein, wenn sie es für richtig halten.
Der Unterschied zwischen Katar und Europas Demokratien
Einige grundlegende Unterschiede zeigen wir hier kurz auf:
Katar
Regierungsform: Alleinherrschaft
Gewaltenteilung: Nein
Säkularisierung: Nein
Wahlrecht: Ja, für ein beratendes Parlament des Emirs, das keine politische Macht hat.
Glaubensfreiheit: Nur bedingt, es gibt eine religiöse Toleranz gegenüber Nichtmuslimen. Die Gesetze des Korans sind eng mit der Gesellschaft verbunden.
Gleicheit von Mann und Frau: Nein, nicht wirklich. Die Frauen dürfen auch wählen und haben Zugang zu Bildung, aber sie sind nach wie vor abhängig in vielen Entscheidungen von ihrem Ehemann oder Vater.
Todesstrafe: Kann der Emir verhängen, aber es sind keine Urteile wirklich in neuster Zeit bekannt.
Europäische Demokratien
Regierungsform: Demokratien
Gewaltenteilung: Ja
Säkularisierung: Ja
Wahlrecht: Ja, für Männer und Frauen um die Regierung zu wählen.
Glaubensfreiheit: In modernen Demokratien ist die Glaubensfreiheit ein Menschenrecht, das voll ausgeübt werden darf.
Gleicheit von Mann und Frau: Ja, Frau und Mann sind gesellschaftlich, politisch und rechtlich gleichgestellt.
Todesstrafe: Nein, heute nicht mehr.
Fazit
Man kann sagen, dass Katar ein Land zwischen Tradition und Moderne ist. Auch die Katarer haben Zugänge zum Internet und wissen, was in der Welt vor sich geht. Wohnen in modernen Häusern und verfügen vielleicht über mehr Technik als wir. Wir Europäer sollten nur genau hinschauen, bevor wir die Länder dieser Welt in Gut und Böse einteilen.
Unsere Menschen- und Bürgerrechte sind nicht vom Himmel gefallen, sondern wurden in der Französischen Revolution 1789-1799 blutig und auf brutalste Weise errungen. Das heißt, das französische Volk hat 1789 die Gelegenheit ergriffen und den Adel und die Kirche, nach jahrhundertelanger Feudalherrschaft (Herrschaft des Adels und der Kirche) abgesetzt. Das geschah brutal und hatte wenig mit Menschenrechten zu tun.
Das Interessante und Traurige ist, dass nur durch diese Brutalität diese Menschenrechte schließlich in der ersten französischen Verfassung 1791 aufgenommen wurden. Aber der Weg, bis zu unserem heutigen Verständnis über die Umsetzung dieser Menschenrechte, war sehr lang und hielt eigentlich erst nach 1948 (Gründung der Bundesrepublik Deutschland) Einzug in Europa.
Aus unserer heutigen sicheren und luxuriösen Sicht, ist es leicht, über andere Staaten zu urteilen. Wer das macht, sollte sich zuerst die Frage stellen, wäre ich bereit für die Freiheit zu sterben, wie es einst die Franzosen taten und alle anderen Menschen auf der Welt, die bis heute versuchen, mehr Rechte für sich zu erkämpfen. Es ist sicherlich richtig und wichtig, dass Nachrichten und Vereine über die vielen menschenunwürdigen Bedingungen in dieser Welt aufklären. Aber, ein politischer Umbruch kann nur durch die Menschen in dem jeweiligen Land erfolgen! Allein diese Menschen entscheiden, wie sie regiert werden wollen und ob sie den Mut haben, etwas zu ändern.
Die Demokratie ist eine der menschlichsten Staatsformen der Welt, aber auch eine der schwierigsten, weil in einer Demokratie jeder Mensch machen darf (soweit es das Gesetz zulässt), was er will. Das heißt, ein Bürger oder Bürgerin einer Demokratie muss sehr gebildet sein, damit er oder sie auch wirklich die Freiheiten, die eine Demokratie bietet, nutzen kann. Wenn er oder sie dann noch über Fähigkeiten wie Mitgefühl und Toleranz verfügt, können Menschenrechte überhaupt wirklich praktiziert werden.
Wenn überhaupt, sollten die FIFA und ihre Verantwortlichen sich überlegen, ob sie Ländern wie Katar zukünftig die Verantwortung für eine Meisterschaft übertragen wollen, die auf Kosten der Menschenrechte gehen werden. Und darauf haben wir einen Einfluss, wenn die Einschaltquoten dieses Mal zur WM niedriger ausfallen, denn das heißt: niedrige Einschaltquoten = weniger Geld.
Über die Autorin
„Mein Name ist Astrid Kronsbein, 44 Jahre, leidenschaftliche Pädagogin, Didaktikerin, Tänzerin, Visiönärin der History Voices Playbooks sowie Unternehmerin.“
Autorin: Astrid Kronsbein, CEO von History Voices®
Artikel veröffentlicht am: 22.11.2022
